Tageslicht ist im Glasbau des Media Lab selbstverständlich, der Werkstatt für Interface-Designer und Vordenker.

Foto: Illetschko

Boston - Adrianne Haslet-Davis wusste natürlich nicht, ob sie ihren Beruf jemals wieder ausüben können würde. Am 15. April 2013, als zwei Bomben im Zieleinlauf des Boston Marathon detonierten, verlor die Berufstänzerin ihren linken Unterschenkel. Schon im März dieses Jahres zeigte sie sich bei der TED Konferenz im kanadischen Vancouver und begann mit Prothese zu tanzen. Haslet-David wollte damit vor allem deutlich machen, wie normal das Leben trotz eines tragischen Unfalls mit Beinprothesen aus der Werkstatt von Hugh Herr sein kann. Der Wissenschafter des Massachusetts Institute of Technology (MIT) der selbst bei einem Kletterunfall 1982 beide Beine verlor, und sein Team entwarfen ihr neues Bein.

Herr ist Kopf der Forschungsgruppe Biomechatronics am MIT Media Lab. Das Laboratorium wurde 1985 von Nicholas Negroponte und dem ehemaligen MIT-Präsidenten Jerome Wiesner als eigenes Department der Universität gegründet, um die rasanten Technologieentwicklungen der Zukunft mit interdisziplinärer Forschung zu begleiten. Herr weiß auch wie die meisten amerikanischen Wissenschafter recht gut, wie man Forschung möglichst publikumswirksam präsentiert. Wenn er seine Arbeit erklärt, rollt er schon mal seine Hosenbeine hoch und zeigt auf seine eigenen Prothesen. Ein bisschen Show muss sein.

Finger im Sand

Einen offenen Umgang mit den Medien praktizieren aber auch andere Wissenschafter am Media Lab. Im von Tageslicht durchfluteten Gebäude in Cambridge bei Boston arbeitet zum Beispiel Hiroshi Ishii, der neuartige Interfaces entwickelt und beim Ars-Electronica-Festival in Linz vertreten war. Er ist zweifelsohne ein Star der Branche. Besucher seiner Tangible Media Group fühlen sich wie in einer hochmodernen Spielzeugabteilung: Da stehen Parfumfläschchen, aus denen, wenn man sie öffnet, verschiedene Töne klingen. Da sieht man ein Sandhäufchen, das über Sensoren mit einem Bildschirm verbunden ist, wo sich Farben ändern, wenn man mit den Fingern im Sand wühlt. Hier wird getestet, wie man in Zukunft nicht nur mit gesprochenen und geschriebenen Worten über große Entfernungen kommunizieren könnte. Am Media Lab arbeiten aber auch Wissenschafter, die als Vordenker der Mediennutzung gelten: Ethan Zuckerman zum Beispiel, Blogger, Internetaktivist und Buchautor. Zuletzt erschien: Rewire: Digital Cosmopolitans in the Age of Connection (W.W, Norton, 2014).

Hier wurden Technologien entwickelt, die heute zum Alltag gehören: Das Aspen Movie Map, ein Vorläufer von Google Street View, der 100-Dollar-Laptop für Studenten in Entwicklungsländern und die Display-Technologie E-Ink, die ein E-Book auch im hellen Sonnenlicht lesbar macht. Zuletzt konnte man wirksame technische Lösungen gegen Cyberbullying produzieren, eine Art Mobbing, das in sozialen Netzwerken gehäuft auftritt.

Das Media Lab gilt letztlich auch als eine der besten Ausbildungsplätze für computerbasierte Technologieentwicklung und Design. Hier begann eine ganze Generation von innovativen Designern ihre Laufbahn, schrieb die New York TImes 2011, und nannte als Beispiel John Underkoffler, der User-Interfaces baut und die Ideen für das Design des Hollywoodfilms Minority Report von Steven Spielberg hatte. (pi, DER STANDARD, 29.10.2014)